Die Korelle 4 × 6.5 – Kompakte Spreizenkamera aus Dresden
Einordnung
Bereits 1921 gründete Franz Kochmann in Dresden die «Fabrik photographischer Apparate». Zunächst wurden verschiedene Plattenkameras gefertigt. Anfang der 1930er-Jahre kamen unter der Bezeichnung «Korelle» dann mehrere Spreizenkameras fürs Mittelformat auf den Markt – darunter auch die in diesem Beitrag vorgestellte Korelle 4×6.5. Weitere Modellvarianten waren ab 1933 die Korelle 4.5×6 sowie die Korelle 6×6.
Bei meinen Recherchen zur Korelle 4×6.5 war es durchaus erstaunlich, wie wenig über diese Kamera bekannt ist. Nicht einmal die Produktionszeit lässt sich mit Sicherheit bestimmen, denn die verfügbaren Angaben sind eher vage. Es ist davon auszugehen, dass die Kamera vermutlich ab 1931 bis etwa 1939 erhältlich war. Für die Altersbestimmung bietet die Seriennummer oft einen zuverlässigen Anhaltspunkt. Doch bei den Korelle-Kameras fehlen diese vollständig. Also versuchte ich es über die Seriennummer des verbauten Tessar-Objektivs von Carl Zeiss Jena. Dieses wurde gemäss verschiedenen Quellen im Jahr 1931 hergestellt (Quelle 1, Quelle 2, Quelle 3). Meine Kamera dürfte somit zu den frühen Exemplaren gehören.
Eine Anzeige im Heft 3 der Publikation «Fotografische Rundschau und Mitteilungen» (Band 72, Heft 3) aus dem Jahr 1935 zeigt, dass die Korelle 4×6.5 zu diesem Zeitpunkt noch beworben wurde – und somit weiterhin im Handel erhältlich war.
Gehäuse und Aufbau
Betrachten wir die Kamera mit all ihren Bedienelementen und Funktionen einmal von aussen. Zusammengeklappt ist sie mit einer Grösse von 13 × 7 × 4 cm (B×H×T) äusserst kompakt und wiegt 465 g. Die Korelle 4 × 6.5 gehört von der Bauweise her zu den Spreizenkameras. Beim Öffnen der Kamera klappen seitliche Metallstreben, die sogenannte Spreizen, aus und bringen das Objektiv automatisch in die richtige Arbeitsposition. Dabei entfaltet sich der Balgen, und der Durchsichtssucher klappt ebenfalls automatisch auf. Die Kamera ist somit schnell einsatzbereit. Dieses Konstruktionsprinzip ermöglicht eine kompakte Bauweise bei gleichzeitig hoher Stabilität. Die Spreizen bewegen sich, im Gegensatz zu anderen im Beitrag erwähnten Korelle-Modellen, parallel zur Kameraober- und -unterseite.
Neben dem bereits erwähnten Sucher befindet sich auf der Kameraoberseite rechts aussen ein relativ grosser, leicht abgesetzter Transportknopf, mit dem sich der eingelegte Film mühelos weitertransportieren lässt. Bei der hier vorgestellten Kamera ist rechts neben dem Sucher mit drei Schrauben ein Zubehörschuh montiert. Dieser ist jedoch nicht bei allen Kameras dieses Typs vorhanden.
Mittig in der Rückwand ist das Rotfenster eingelassen, das die Aufnahmenummer anzeigt. Es ist nicht verschliessbar. Wird die Kamera im Hochformat gehalten, ermöglicht die auf der Rückseite angebrachte Tiefenschärfentabelle eine Einschätzung, welcher Entfernungsbereich bei einer bestimmten Blende scharf abgebildet wird.
Objektiv und Verschluss
Im Buch «Deutsche Kameras 1839-1945» (Kerkmann, 2005) findet sich unter der Kameranummer 01116 die Abbildung einer Korelle 4 x 6.5 zusammen mit einer Tabelle betreffend Bestückung der Kamera mit unterschiedlichen Objektiven und Verschlüssen.
Die hier vorgestellte Korelle 4 × 6.5 weist keine der in der Literatur aufgeführten Kombinationen auf. Das verbaute Objektiv ist ein Tessar von Carl Zeiss Jena mit einer Brennweite von 75 mm. Es deckt einen Blendenbereich von 3.8 bis 22 ab. Eingebaut ist ein Compur-Verschluss der Firma F. Deckel München. Dieser wird, von vorne betrachtet, auf der linken Seite direkt am Verschluss gespannt und mit einem weiter unten liegenden Hebel ausgelöst.
Es sind Versschlusszeiten von 1 Sekunde bis 1/250 Sekunde möglich. Für Langzeitbelichtungen kann zusätzlich zwischen B (Bulb) und T (Time) gewählt werden. Zwischen Spannhebel und Auslöser ist der Anschluss für einen Kabelauslöser zu erkennen. Damit werden bei langen Belichtungszeiten Erschütterungen der Kamera vermindert. Dabei kann zusätzlich ein Stativ verwendet werden. In den Kameraboden ist die nötige Stativbefestigung mit einem 3/8 Zoll Gewinde eingelassen. Alternativ ist es natürlich möglich, die Korelle 4 x 6.5 auf eine stabile Unterlage zu stellen. Soll so eine Aufnahme im Hochformat gemacht werden, kann hinter der Objektivplatte eine kleine Stütze hervor geschwenkt werden.
Aufnahmeformat
Die Korelle 4 × 6.5 nutzt 127er Rollfilm. Auf einem solchen Film finden acht Aufnahmen im Format 4×6.5 cm Platz. Diese Filme werden (Stand April 2025) noch in begrenzter Stückzahl produziert, sind jedoch mit Preisen zwischen CHF 16.00 und CHF 25.00 recht teuer und meist schwer lieferbar.
Theoretisch ist es zudem möglich, die Kamera für Platten oder Filmpacks umzurüsten. Dazu kann bei geöffneter Rückwand die Filmführung durch einfaches Nach-links-Schieben entfernt werden. Da sich die Rückwand jedoch nicht vollständig abnehmen lässt, dürfte das Fotografieren mit dieser Modifikation in der Praxis eher umständlich sein.
Im Katalog von Photo Porst aus dem Jahr 1933 wird die Möglichkeit zur Umrüstung folgendermassen angepriesen:
«Was diese prächtige Kamera weiter vor allen anderen auszeichnet, ist der verblüffend einfache Wechsel von Rollfilm auf Platte bzw. Filmpack, ohne jede teure Spezialeinrichtung. Mit einem Griff ist die Filmführung herauszunehmen und die Kassette kann eingesetzt werden. Durch Einführung eines Mattscheibenrahmens ist die Scharfeinstellung auf Mattscheibe möglich. Die Platte liegt in derselben Ebene wie der Rollfilm…»
(Quelle: www.collection-appareils.fr)
Als Alternative zur Korelle 4×6.5 war in den 1930er-Jahren mit der Korelle P eine reine Plattenkamera auf gleicher Basis erhältlich. Ihr Gehäuse war kantiger gestaltet. Meiner Meinung nach war die Zeit für Plattenkameras damals jedoch bereits vorbei. Ich kann mir kaum vorstellen, dass diese Option noch rege genutzt wurde, weder bei der Korelle 4 × 6.5 noch bei der Korelle P, von der hier Bilder zu sehen sind.
Fotografieren mit der Korelle 4 x 6.5
Zuerst wird der 127er Rollfilm eingelegt. Dazu entriegelt man auf der rechten Seite des Kameragehäuses die Rückwand, indem der deutlich vorstehende Knopf in Pfeilrichtung nach oben geschoben wird. Die Leerspule kommt in die linke Kammer, der unbelichtete Rollfilm in die rechte. Das Einlegen gelingt dank der in beiden Kammern unten angebrachten Federbleche problemlos. Die nächsten Schritte erfolgen in gewohnter Manier: Den Film sicher in der Aufnahmespule verankern, bis zur Startmarkierung transportieren, Rückwand schliessen – und die Kamera ist aufnahmebereit.
Mit der Korelle 4 × 6.5 fotografiert es sich erstaunlich gut. Die Belichtung messe ich wie gewohnt mit der App myLightMeter PRO. Der Drehknopf für den Filmtransport ist gut zu bedienen, und durch das Rotfenster lassen sich die Nummern der Aufnahmen problemlos erkennen. Wenig erstaunlich ist, dass die Korelle 4×6.5 keine Doppelbelichtungssperre besitzt. Es lohnt sich also, gerade angesichts der heutigen hohen Preise für 127er Rollfilme, konzentriert zu arbeiten und den Film nach jeder Auslösung sofort zur nächsten Aufnahmeposition weiterzudrehen.
Was die Kamera in Bezug auf Bildqualität zu leisten vermag, zeigen die Fotos, die ich in der kleinen Galerie am Schluss dieses Beitrags zusammengestellt habe.
Fazit
Die Korelle 4×6.5 ist eine interessante Kamera mit durchdachter Konstruktion und überraschend praktischer Handhabung. Trotz ihres Alters lässt sie sich gut bedienen, vom Einlegen des Films über das Öffnen der Spreizmechanik bis hin zur Belichtung der Aufnahmen. Besonders das kompakte Format in Kombination mit der soliden Bauart hat mich überzeugt.
Natürlich gibt es Einschränkungen: Die fehlende Doppelbelichtungssperre verlangt Konzentration beim Fotografieren, und 127er Rollfilme sind heute teuer und oft nur schwer erhältlich. Die mögliche Umrüstung auf Platten bleibt eher theoretischer Natur. Praktisch ist diese Option eher nicht, auch wenn die entsprechenden Teile verfügbar wären.
Trotzdem zeigt meine Korelle mit Tessar-Objektiv und Compur-Verschluss, wozu Kameras dieser Zeit fähig waren. Die entstandenen Bilder haben mich überzeugt. Für mich bleibt die Korelle 4×6.5 nicht nur ein schönes Sammlerstück, sondern auch eine funktionstüchtige Kamera, mit der sich das analoge Fotografieren ganz bewusst entschleunigt erleben lässt.