Olympus Pen: Kompakter Klassiker im Halbformat
Die Olympus Pen ist eine Halbformatkamera, die im Oktober 1959 in ihrer ersten Modellvariante auf den Markt kam. Das Design stammt von Yoshihisa Maitani, einem Ingenieur, der hartnäckig das Ziel verfolgte, eine kostengünstige Kamera zu entwickeln, die sowohl fotografisch überzeugte als auch einfach zu bedienen war. Aber erfüllt die Olympus Pen diese Erwartungen? In diesem Beitrag beschäftige ich mich mit den Funktionen und Qualitäten der Kamera.
Über den Preis im Vergleich zu anderen Kameras kann ich leider keine genauen Angaben machen oder anschauliche Vergleiche ziehen. Was die Kompaktheit betrifft, so hält die Olympus Pen jedoch, was sie verspricht. Um die Bildqualität dieser vollmechanischen Halbformatkamera zu beurteilen, habe ich auf einem halbtägigen Photowalk einen Film mit 72 Aufnahmen belichtet. Eine Auswahl dieser Fotos werde ich am Ende des Beitrags nutzen, um die Bildqualität zu thematisieren.
Obwohl der Prototyp der Olympus Pen von der Führungsebene bei Olympus freigegeben wurde, sah die Produktionsleitung zunächst kein Marktpotenzial für diese Kamera (Quelle: The Semi-Olympus I – the Pen Series). Daher wurde die Produktion der ersten Charge im September 1959 an die Firma Sanko Shoji ausgelagert. Überraschenderweise wurde die Kamera schnell sehr populär. Als Olympus den unerwartet hohen Verkaufserfolg bemerkte, folgten eine zweite und später eine dritte Version, die dann von Olympus selbst produziert wurden.
Drei Modelle, wenige Unterschiede
Die drei Modelle der ursprünglichen Olympus Pen unterscheiden sich nur in kleinen Details. Bei der ersten, extern produzierten Serie (Modell 1) ist auf dem Objektiv in roter Schrift die Einstellung «Flash» zu erkennen. Wer den passenden Blitz als Zubehör erwarb, musste vor der Aufnahme lediglich die Entfernung am Objektiv einstellen. Die passende Blendenöffnung wurde automatisch gewählt, sodass komplizierte Berechnungen des optimalen Blendenwerts entfielen.
Ab Mai 1960 übernahm Olympus die Produktion selbst und fertigte die Olympus Pen (Modell 2) im eigenen Werk. Diese Kamera war grösstenteils identisch mit dem ersten Modell, jedoch entfiel die Flash-Einstellung bei der neuen Variante. Was blieb, war die Öse an einer Kameraseite, an der eine Handschlaufe befestigt werden konnte. Diese Version wurde bis 1961 produziert.
Das dritte Modell (Modell 3) wurde von 1962 bis 1964 hergestellt. Es unterschied sich durch zwei Ösen, die nun an beiden Seiten des Kameragehäuses angebracht waren. Dadurch konnte ein Kameragurt verwendet werden, der um den Hals getragen werden konnte.
Zusätzlich gab es die Olympus Pen S, die sich vor allem durch das verbaute Objektiv und den Verschluss von den «normalen» Olympus Pen Kameras unterschied. Details zur Olympus Pen S werden im Video «Olympus Pen S HalfFrame Camera» vorgestellt.
Aufnahmen im Halbformat
Die kompakte Bauweise der Olympus Pen war möglich, weil man sich für das Halbformat entschied. Auf einem 135er-Film, der normalerweise 36 Bilder im Format 24x36mm ermöglicht, passen im Halbformat 72 Aufnahmen im Format 18x24mm. Dadurch konnten die Nutzerinnen und Nutzer nicht nur von einer sehr handlichen Kamera profitieren, sondern auch Geld sparen, da die doppelte Anzahl an Bildern auf einen Kleinbildfilm passte. Dies lud zudem zum Experimentieren ein.
Doch die Nachteile des Halbformats dürfen nicht verschwiegen werden: Pro Aufnahme werden weniger Bildinformationen auf dem Film gespeichert, und es dauert länger, bis ein Film vollständig belichtet ist.
Das Objektiv – kompakt und dennoch hochwertig
Die Olympus Pen ist eine kompakte Kamera mit einem exzellenten Objektiv, das lediglich 1 cm aus der Kamerafront herausragt. Dadurch lässt sich die Kamera leicht in eine Jackentasche stecken.
Mit einer Brennweite von 28mm könnte man meinen, das Objektiv erfasse einen extrem weiten Winkel, doch in Wirklichkeit entspricht diese Brennweite bei der Halbformatkamera etwa 43mm im Kleinbildformat. Die kürzeste Aufnahmedistanz beträgt 60 cm.
Trotz der manuellen Distanzeinstellung lassen sich unterschiedliche Aufnahmesituationen in den meisten Fällen auch von wenig geübten Fotografen problemlos bewältigen. Olympus warb mit der Aussage, dass sowohl nah gelegene als auch weit entfernte Objekte gleichzeitig scharf abgebildet werden können. Diese Behauptung trifft natürlich nur in Situationen zu, in denen mit möglichst kleiner Blendenöffnung fotografiert wird. Was auf jeden Fall geboten wird, ist ein grosser Schärfentiefebereich, bei dem meist eine grobe Abschätzung der Entfernung ausreicht. Für alle, die noch weiter ins Detail gehen möchten, habe ich die Schärfentiefen-Tabelle aus der englischen Anleitung zur Pen und Pen S von Fuss in Meter umgerechnet und in einer Tabelle dargestellt (> PDF-Datei).
Verschlusszeiten, Blendenöffnung und Distanz einstellen
Die extrem kompakte Bauweise der Olympus Pen macht die Bedienung teilweise etwas schwierig. Der Ring für die Verschlusszeiten liegt direkt am Gehäuse und ist so schmal, dass er nur mit den Fingerspitzen von Daumen, Zeige- und Mittelfinger bedient werden kann. Beim Drehen rastet der Ring leicht bei den einzelnen Zeiten ein. Neben dem Bulb-Modus (B) für Langzeitbelichtungen stehen lediglich vier Verschlusszeiten zur Auswahl: 1/25, 1/50, 1/100 und 1/200 Sekunde.
Der Blendenwahlring ist vorne am Objektiv um die Linse herum angeordnet, hat einen Durchmesser von wenigen Zentimetern und steht nur leicht hervor. Seine Bedienung erfordert einiges an Fingerspitzengefühl. Um die Blendenwerte einzustellen, halte ich die Kamera in der rechten Hand, mit dem Objektiv nach oben gerichtet. Dabei fixiere ich den Distanzring mit dem rechten Daumen und drehe mit der linken Hand den Blendenring auf die gewünschte Position. Möglich sind Blendenwerte von 3,5 bis 22, die stufenlos eingestellt werden können. Aufgrund der äusserst kompakten Bauweise des Objektivs liegen die kleinen Blendenwerte jedoch sehr dicht beieinander.
Der Sucher
Yoshihisa Maitani entschied sich bei der Entwicklung der Olympus Pen S für einen einfachen optischen Sucher. Dieser ermöglicht eine zuverlässige Bildkomposition und erfüllt die Anforderungen an eine kompakte Alltagskamera.
Da die Olympus Pen im Halbformat aufnimmt, ist der Sucher speziell an dieses Format angepasst. Bei horizontaler Haltung der Kamera erscheint das Sucherbild im Hochformat, was beim ersten Kontakt mit einer Halbformatkamera zunächst ungewohnt ist. Für Aufnahmen im Querformat muss die Kamera nämlich hochkant gehalten werden.
Wie bei vielen Sucherkameras tritt auch bei der Olympus Pen das Parallaxenproblem auf, da sich der Sucher oberhalb des Objektivs befindet und somit nicht exakt das Bild zeigt, das letztlich auf den Film gebannt wird. Besonders bei Nahaufnahmen wird dieser Effekt deutlich spürbar. Deshalb verfügt der Sucher über einen Leuchtrahmen mit Markierungen, die den Parallaxenausgleich erleichtern. So kann der Bildausschnitt auch bei kurzen Distanzen unter einem Meter einigermassen präzise gewählt werden.
Einen Kleinbildfilm einlegen
Zum Einlegen eines Kleinbildfilms in die Olympus Pen wird zunächst die Verriegelung an der Unterseite der Kamera hoch geklappt und in Gegenuhrzeigersinn um 180 Grad gedreht. Anschliessend wird die Kamerarückseite vorsichtig nach unten geschoben. Nun kann der Film eingelegt werden. Die Filmlasche wird in den Schlitz der Aufnahmespule eingeführt und die Filmpatrone in das dafür vorgesehene Vertiefung eingelegt. Beachtet werden muss, dass die Zähne der Transportspule präzise in die Perforationen des Films greifen. Falls nötig kann der Rückspulhebel leicht gedreht werden, um die Lage des Films anzupassen. Danach wird die Kamerarückseite wieder geschlossen und sicher verriegelt.
Nun wird der Film einmal mit dem Rändelrad auf der Kamerarückseite transportiert und der Auslöser betätigt. Der Rückspulhebel sollte sich bei diesem Vorgang drehen. Dies ist ein Zeichen, dass der Film korrekt eingelegt ist. Anschliessend wird der Film drei weitere Male transportiert und danach jeweils der Auslöser betätigt.
Nun wird der Bildzähler auf die Startposition gedreht. Hierfür wird das Rädchen in der Mitte des Zählwerkes gedreht, bis das Dreieck auf 72 zeigt, wenn ein 36er-Film verwendet wird, oder auf 48 bei einem 24er-Film. Der Zähler zeigt dann die verbleibenden Aufnahmen an und zählt bei jedem Transportvorgang zurück. Da die Skala für 72 mögliche Bilder zu wenig Platz hat, ist nur jedes zweit Aufnahme mit einem Strich markiert.

Oft sind mehr als 72 Bilder möglich, bis der Film voll ist. Nun kann der Film in die Patrone zurückgespult werden. Dazu wird oben links auf der Kamera die Rückspulkurbel heraus geklappt und auf dem Kameraboden der Knopf für die Rückspulentriegelung gedrückt gehalten. Beim Drehen der Kurbel in Pfeilrichung ist ein leichter Widerstand zu spüren. Lässt dieser plötzlich nach, ist der Film vollständig in die Patrone zurück gespult. Meist ist dann auch ein leises Knacken zu hören, wenn die Filmlasche aus der Aufnahmespule springt. Die Kamerarückwand kann jetzt wie weiter oben beschrieben, geöffnet und die Filmpatrone herausgenommen werden.
Was noch zu erwähnen ist…
Der Auslöseknopf oben auf der Kamera verfügt über ein Gewinde, in das ein Kabelauslöser geschraubt werden kann. Vermutlich wird den die Zielgruppe dieser Kamera wohl eher selten genutzt haben. Dies dürfte wohl auch auf das Stativgewinde mit einem 3/4 Zoll Innengewinde zutreffen, das im Kameraboden zu finden ist, gelten.
Auf dem Kamerarücken ist ein Zubehörschuh montiert. Wer einen Elektronenblitz nutzen möchte, kann diesen über die Buchse auf der Frontseite anschliessen. So ist eine Blitzsynchronisierung bei allen Verschlusszeiten möglich.