Die terraPin OSKAR Lochkamera – ein erster Erfahrungsbericht

Inspiration und Motivation

Mal aus den gewohnten Bahnen ausbrechen und die Fotografie aus einer neuen Perspektive praktizieren – das versuche ich immer wieder. Normalerweise nehme ich in solchen Fällen bewusst eine Kamera aus meiner Sammlung und lade einen Film. Je eingeschränkter oder spezieller die technischen Möglichkeiten sind, desto grösser wird die Herausforderung bei der Motivsuche und -wahl. Eine Pinhole-Kamera ist in diesem Zusammenhang wohl die ultimative kreative Störung gewohnter Abläufe.

So hat mich die Ausschreibung eines Pinhole-Workshops bei ars-imago in Zürich sofort getriggert. Ohne lange zu überlegen, habe ich mich angemeldet.

Bilder aus der Dose

Der Workshop ist ein gutes Erlebnis. Alle Materialien, die für den Bau einer einfachen Lochkamera benötigt werden, sind vorhanden und der Bau gelingt somit ohne grosse Hürden. Die Bilder werden an diesem Nachmittag auf Direktpositivpapier belichtet und können gleich in der Dunkelkammer des Shops entwickelt werden. Durch die zahlreichen Versuche, die möglich sind, lernen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer schnell die Eigenheiten ihrer eigenen Kamera kennen. Dieser kreative Nachmittag motiviert mich, weiter mit Pinhole-Kameras zu experimentieren. Für mich kommt die Option Fotopapier jedoch nicht in Frage. Zwei Gründe sprechen dagegen: Erstens kann jeweils nur ein Blatt geladen werden, und zweitens habe ich keinen Zugang zu einer Dunkelkammer. So suche ich in den folgenden Tagen nach einer Lösung für Film, womit nach dem Laden gleich mehrere Aufnahmen möglich sind.

Pinhole Kamera aus einer Blechdose

Eine erste Kamera aus dem 3D-Drucker

Bei mir daheim steht ein 3D-Drucker. So suche ich auf Thingiverse nach Pinhole-Kameras und stosse auf die vielfältigen Konstruktionen von Todd Schlemmer. Mein Wunsch ist es von Beginn an gewesen, eine Kamera für 120er-Rollfilm zu bauen, und so fällt meine Wahl auf das Modell terraPin Pinhole Camera. Das Gehäuse kann mittels Einsätzen für unterschiedliche Brennweiten konfiguriert werden. Ich entscheide mich für die Brennweiten 50 mm und 18 mm. Der 3D-Druck verläuft problemlos, doch die Montage ist nicht immer ganz trivial.

Die Lochblenden fertige ich aus dem dünnen Material von Getränkedosenwänden. Mit einer feinen Nadel steche ich ein winziges Loch ins dünne Alublech. Das dauert seine Zeit, da ich immer wieder die Grösse des Durchmessers mit einer Messlupe kontrollieren muss. Wichtig ist auch, dass die entstehenden Gräte mit möglichst feinem Schleifpapier entfernt werden. Je exakter gearbeitet wird, desto gleichmässiger werden später die Bilder. Wer sich intensiver mit der Herstellung eigener Lochblenden befassen möchte, findet sicher im Video «Making Pinhole Camera Apertures» viele wertvolle Hinweise.

Kaum sind die Teile zusammengebaut, zieht es mich nach draussen, um einen ersten Rollfilm Kentmere 100 zu belichten. Die terraPin macht dabei einen guten Eindruck. Sie ist robust und gut zu bedienen. Mir machen jedoch Light Leaks, die nach der Filmentwicklung zu erkennen sind, zu schaffen. Die betroffenen Stellen am Gehäuse können sicher mit Gaffer Tape abgedichtet werden.

Die Bilder mit dem 18mm-Einsatz gelingen mit einem zweiten Film ebenfalls, doch auch hier ist oft ein Lichteinfall deutlich zu erkennen und die Negative sind nicht optimal ausgeleuchtet. Die Vignettierung ist nicht mittig ausgerichtet, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass die Lochblene nicht optimal zentriert ist. Die Bildschärfe ist wohl eher durchschnittlich, beim weitwinkligen Einsatz deutlisch schlechter.

Dies alles schmälert meine Begeisterung keineswegs. Es macht Freude, mit solchen Kameras zu experimentieren! So entschliesse ich, dieses Gebiet weiter zu erkunden.

Ein Bild, das mit der terraPin 6x6 Pinhole Camera und dem Aufsatz mit 50 mm Brennweite aufgenommen wurde.

Aufnahme mit dem Einsatz 50 mm

Ein Bild, das mit der terraPin 6x6 Pinhole Camera und dem Aufsatz mit 18 mm Brennweite aufgenommen wurde.

Aufnahme mit dem Einsatz 18 mm

terraPin OSKAR – mein Favorit

Nach den Erfolgserlebnissen mit der ersten Kamera und den beiden Einsätzen wage ich mich an ein zweites Modell: die terraPin OSKAR, in der Gehäusevariante «Tuxedo». Diese verfügt auf der Vorder- und der Rückseite über leichte Vertiefungen für dekorative Elemente aus Kunstleder, Folien oder anderen Materialien. Die terraPin OSKAR hat eine Brennweite von 29 mm, woraus ein Aufnahmewinkel von etwa 90° resultiert. Todd Schlemmer empfiehlt ein Blendenloch von 0,23 mm Durchmesser, was rechnerisch einen Blendenwert von 126 ergibt. Mit der weiter oben beschriebenen Methode erreiche ich dieses Mass nicht in totaler Perfektion. Durch die Lupe betrachtet scheint mir der Durchmesser bei 0,2 mm zu liegen. Wie gut ich gearbeitet habe, werden die ersten Bilder dann zeigen.

Die Schmuckelemente werden an der Variante terraPin OSKAR Tuxedo angebracht.

Das Drucken und der Zusammenbau der einzelnen Teile verlaufen wiederum reibungslos. Nach dem Druckvorgang müssen noch einige Reste der Supportstrukturen sauber entfernt werden, bevor die Teile montiert werden. Zusätzlich wird nur eine Schraube mit M3-Gewinde und eine passende Stoppmutter, sowie ein kleines Stück roter, transparenter Folie für das runde Fenster auf der Kamerarückseite benötigt. Dort werden später die Aufnahmennummern des Films angezeigt.

Probleme machen mir beim Zusammenbau die Transportknöpfe, die im Kameragehäuse in die Filmspulen greifen. Die Art der Montage ist zwar grundsätzlich gut gelöst, doch sind die Achsen äusserst knapp bemessen. Das Loch für den Verankerungsstift, der durch Transportknopf und Achse geschoben wird, schwächt die Achse deutlich. Dies führt dazu, dass sie bei meinen Versuchen zweimal reissen und ich Ersatz drucken muss. Diese Bauelemente bilden aus meiner Sicht die einzige Schwachstelle der terraPin OSKAR. Erst die Erfahrung wird zeigen, wie anfällig die Kamera in diesem Bereich ist.

Transportknopf mit Achse für Filmtransport.

Die Montage der Verschlussscheibe auf der Frontseite modifizierte ich leicht. Im Modell der Scheibe ist eine Vertiefung für eine Senkkopfschraube vorgesehen. Mir scheint das Material im Zentrum dadurch sehr dünn und somit anfällig für mechanische Belastungen. Deshalb verwende ich eine Zylinderkopfschraube in Kombination mit einer passenden Unterlagsscheibe.

Wie sich das gedruckte Stativgewinde im Kameraboden bewährt, wird sich zeigen. Sollte es nach mehrmaligem Gebrauch ausreissen, werde ich versuchen, ein Loch zu bohren, in das ich dann eine Mutter mit 1/4″-Gewinde kleben werde.

Wie beim ersten Modell muss ich natürlich wieder schnell raus und einen ersten Film mit der terraPin OSKAR Tuxedo belichten. Die Bilder, die dabei entstehen, sind Klasse. Genau so stelle ich mir das Fotografieren mit einer Pinhole-Kamera vor!

Die Lochkamera terraPin OSKAR Tuxedo, fertig zusammengebaut.

Korrekt belichten – eine Herausforderung?

Mit der Wahl der korrekten Belichtungszeit habe ich schon am Workshop in Zürich gekämpft. Basierend auf den bei jeder Aufnahme gemachten Erfahrung haben wir damals die nötigen Zeiten geschätzt und immer wieder optimiert. Das möchte ich bei der Arbeit mit Filmen besser machen, ohne gross selber rechnen zu müssen. Eine brauchbare Quelle ist sicher die Website www.mrpinhole. Hier kann durch Eingabe des Blendenwertes der verbauten Lochblende eine Belichtungstabelle generiert werden. Wer es etwas visueller angehen möchte, kann sich einen einfachen «Belichtungsmesser» basteln. HARMAN Technology Ltd. stellt dazu eine einfache Vorlage für den Pinhole Exposure Calculator online zur Verfügung, den es auch als druckbares 3D-Modell auf Printables gibt.
Ich habe mich jedoch für die Nutzung der App Pinhole Assist entschieden. Sie hat mich bei der ersten Nutzung vollkommen überzeugt, denn sie ermöglicht einfachen Zugang zu den vielfältigen Funktionen und einen intuitiven Workflow. Leider scheint sie nur fürs iPhone verfügbar zu sein.

Ein Screenshot der App Pinhole Assist für iPhone

Die terraPin OSKAR in der Praxis

Als ersten Testfilm legte ich einen ILFORD Pan F Plus mit 50 ISO ein. Die entstandenen 12 Aufnahmen zeigen, dass dieser niedrigempfindliche Film für die Pinhole-Fotografie gut geeignet ist. In sonnigen und schattigeren Lichtsituationen arbeitete ich mit Belichtungszeiten zwischen 2 und 43 Sekunden. Die Bedienung des Verschlusses scheint mir deutlich einfacher und sicherer als bei der terraPin Pinhole Camera, die ich zuerst gedruckt und getestet habe. Natürlich ist bei allen Aufnahmen ein Stativ unerlässlich.

Der Zugang zu den Filmkammern ist mit den beiden schiebbaren Elementen auf der Kameraoberseite super einfach gelöst. Die Klammer, welche bei eingelegtem Film diese zwei Teile fixiert, kann in gewissen Situationen leicht wegspringen. Das habe ich beim Verstauen der Kamera in einer Tasche selber erlebt. Zum Glück habe ich nach dem Einlegen des Films die Oberseite der Kamera vorsichtshalber bereits mit einem Stück Gaffer Tape zusätzlich gesichert!

Beim Fotografieren braucht es etwas Zeit, die eigene Pinhole-Kamera und ihre Eigenheiten kennenzulernen. So habe ich mit dem ersten Film schon mal ein gutes Gefühl dafür bekommen, welcher Ausschnitt aufgenommen wird. Mit dieser Erfahrung wird es künftig leichter sein, die Aufnahmen bewusster und spezieller zu komponieren. Gut geeignet sind Motive, die nicht allzu krasse Helligkeitsunterschiede aufweisen. Bewegungen von Bildelementen habe ich bewusst mit einbezogen. Wie man das handhabt, ist natürlich Geschmackssache. Mir gefällt es, wenn das Hauptsujet scharf abgebildet ist, so gut wie es im Rahmen einer Lochkamera möglich ist. Sich bewegende Blätter oder Wolken im Hintergrund sind dann gestaltende Elemente, die das Motiv rahmen.

Eins ist jedoch klar. Meine terraPin OSKAR Tuxedo wird sicher nicht im Regal verstauben!

Schloss und Rathaus Frauenfeld, aufgenommen mit der terraPin OSKAR Tuxedo auf ILFORD Pan F Plus

Schloss und Rathaus Frauenfeld, aufgenommen mit der terraPin OSKAR

Fazit

Zwei Kameramodelle habe ich gedruckt. Beide sind clever konstruiert. Das Gehäuse der terraPin OSKAR Tuxedo ist absolut lichtdicht. Die wechselbaren Einsätze des ersten Modells, das ich oben beschrieben habe, sind zwar von den Möglichkeiten her vielfältiger, doch ist die Chance, das Licht einfallen kann, deutlich grösser. Vor allem wenn die Kamera aufgrund ihrer Grösse in der Hand mitgetragen wird. Die kompaktere terraPin OSKAR Tuxedo habe ich zwischendurch immer wieder in einer kleinen Umhängetasche verstaut.
Die Bildschärfe hängt sehr stark von der Qualität der selbstgefertigten Lochblenden ab. Am besten werden mehrere Versionen hergestellt und falls nötig ausgetauscht. So wird man bei beiden in diesem Beitrag beschriebenen Modellen zu sehr guten Resultaten kommen.
Ich werde wohl in nächster Zeit vorwiegend mit der terraPin OSKAR Tuxedo unterwegs sein. Sie hat mich sowohl mit dem Aufnahmewinkel von 90°und dem Filmformat her überzeugt.

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